
Das OLG Stuttgart entscheidet zu den Voraussetzungen des Pflichtteilsentzugs wegen eines schweren vorsätzlichen Vergehens (OLG Stuttgart, Beschluss 19 U 80/18)
Der 19. Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat beschlossen, dass ein Diebstahl zum Nachteil des Erblassers geeignet sein kann, die Pflichtteilsentziehung wegen eines schweren vorsätzlichen Vergehens zu rechtfertigen. Allein der Umstand, dass der Pflichtteilsberechtigte viele Jahre nach dem Diebstahl in das Haus des damals noch lebenden Erblassers einzieht und darin bis zu seinem Tode wohnt, kann nicht ohne Weiteres als Verzeihung seitens des Erblassers gedeutet werden.
Der konkrete Fall
In dem vorliegenden Fall hat der Enkel (Pflichtteilsberechtigter) seiner Großmutter (Erblasserin) im Jahr 1992 aus deren Haus 6.100 DM gestohlen. Für diese Tat ist der Enkel anschließend rechtskräftig verurteilt worden. Die Großmutter hat dem Enkel wenige Tage nach der Tat den Pflichtteil entzogen. Im Jahr 2004 zog der Enkel in den Keller des von der Großmutter bewohnten Hauses. Dieser behauptet, er habe seit dem Jahr 2006 mit der Oma einen gemeinsamen Haushalt geführt. Nach dem Tod der Großmutter meinte der Enkel nun, dass er aufgrund von Verzeihung durch die Erblasserin (wieder) pflichtteilsberechtigt sei.
Nach Meinung des Gerichts konnte aus dem gemeinsamen Bewohnen des Hauses nicht bereits die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Großmutter dem Enkel verziehen habe. Insbesondere konnte aufgrund der nicht belegbaren Aussagen des Enkels nicht nachvollzogen werden, inwiefern tatsächlicher Kontakt zwischen der Großmutter und dem Enkel bestand. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Großmutter bereits im Jahr 2004 an einer Demenz erkrankt war, sodass es ihr nicht mehr möglich war, den moralischen Gehalt ihres Handelns zu begreifen. Eine Wiederherstellung der Pflichtteilsberechtigung zugunsten des Enkels aufgrund von Verzeihung durch die Erblasserin konnte das Gericht somit nicht feststellen.
Was sollte bei der Nachlassplanung beachtet werden und was bedeutet das für Sie als potentiellen Erben?
Prinzipiell kann jeder seine erbberechtigten Nachfolgen von der Erbfolge enterben. Allerdings bleibt in einem solchen Fall der Anspruch auf den Pflichtteil bestehen. Ein Entzug vom Pflichtteilsanspruch kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Erbberechtigte sich einer Straftat zu Lasten des Erblassers schuldig gemacht hat. Ob ein Verhalten des Nachlassenden nach dem Entzug des Pflichtteils als eine Verzeihung gedeutet werden kann, bedarf stets der Einzelfallprüfung.
Sollten Sie Unklarheiten in Bezug auf das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs haben, lassen Sie sich beraten. Das Team der Kanzlei Jordan Fuhr Meyer erreichen Sie unter der Telefon-Nummer 0234-33853124.